Scheitern für den Erfolg – diese schmerzhafte Erfahrung musste Matthias Lehmann mit seiner ersten Gründung durchleben. Doch er wagte schnell einen Neustart in einer für Männer doch eher ungewöhnlichen Nische. Sein neues Startup SKEINO bietet nun die allerbesten Garne zum Stricken und setzt auf soziales Engagement.
Matthias, kurz und knapp: Pitche Deine Geschäftsidee?
SKEINO ist ein Onlineshop für hochwertige und handgefertigte Wolle zum Stricken. Alle unsere Produkte sind exklusiv nur bei uns im Webshop zu finden.
Die meisten unserer Produkte sind Stricksets, die wir selber entwerfen. Der Kunde erhält ein Bündel handgefärbter Wolle, welche wir speziell für ein bestimmtes Modedesign ausgewählt haben – etwa einen Schal oder einen Pullover. Dazu kommt noch ein Strickmuster, also eine Anleitung, wie das Stück gestrickt wird.
Was genau war der Auslöser für den Start in ein eigenes Business?
Ich lebe seit 2005 in Barcelona und war hier 6 Jahre lang im Eventmarketing bei der TUI tätig. Anfang 2013 habe ich gekündigt und kurz darauf mit einem Studienfreund vom Master mein erstes Startup gegründet.
Damals war Fab in aller Munde und so haben wir handgemachte Designprodukte verkauft. Wir hatten keinerlei Erfahrung und haben entsprechend viele Fehler gemacht.
Fast ohne Budget und mitten in der Wirtschaftskrise haben wir den Onlineshop dann nach 6 Monaten wieder geschlossen. Allerdings habe ich dabei auch unglaublich viel gelernt, was ich später bei SKEINO anwenden konnte.
Die Idee zu SKEINO war eigentlich gar nicht meine, sondern kam von meinem Onkel. Er ist seit über 40 Jahren Textildesigner, ehemals in der DDR, mit einer Fabrik bei uns auf dem Grundstück, und später in den USA. Er hat unter Bauhausdesignern gelernt und ist absoluter Experte, wenn es um Kunsthandwerk und Textildesign geht.
Wir haben dann zusammen mit dem dritten Gründer Rex das Konzept erarbeitet und ich habe mich an die Umsetzung der Marke und an die Entwicklung der Website gemacht. Wie man so etwas macht, hatte ich ja schon bei meinem ersten Startup gelernt.
Aktuell sind wir 6 Personen: die 3 Gründer, eine Operations-Managerin, eine Social-Media-Managerin und eine Produktmanagerin.
Was macht das Geschäftsmodell einzigartig – was ist der USP?
Als eingetragene Marke sind alle unsere Produkte exklusiv und werden nur in unserem Webshop verkauft. Wir arbeiten mit hochwertiger Wolle aus Italien, die in Deutschland von behinderten Menschen handgefärbt wird.
So geben wir diesen Menschen einen regulären Job und die Kunden erhalten ein exklusives Top-Produkt, von dem sie jeden Produktionsschritt nachverfolgen können.

Wo siehst Du die Zielgruppe bzw. wer sind die Wunschkunden?
Da wir schon seit Mai 2014 live sind, haben wir sehr genaue Kundendaten. Ein typischer SKEINO-Kunde ist zwischen 45 und 65 Jahre alt und weiblich.
Unsere Kunden legen großen Wert auf absolut hochwertige Wolle für ihre Strickprojekte. Weiterhin gibt es eine starke soziale Komponente. Der Umstand, dass wir mit behinderten und sozial benachteiligten Menschen arbeiten, wird von unseren Kunden sehr geschätzt.
20% unserer Kunden kaufen mehr als einmal bei uns ein, Das bestätigt, dass wir mit unserer Value Proposition richtig liegen. Weiterhin sind wir auch auf unsere Community sehr stolz.
Wie viel Geld wurde bis zum Start investiert und was waren bis dato die wichtigsten Meilensteine?
Von der Idee bis zum Launch sind ziemlich genau 6 Monate vergangen und alles in Allem haben wir in dieser Zeit etwa 10-12K USD investiert (ohne Produktkosten).
Wir sind ein bootstrapped Unternehmen. Das bedeutet, dass es weder Bankkredite noch Investmentkapital gibt, sondern das gesamte Kapital von den Gründern und den Erträgen stammt. Wir haben immer versucht einen Schritt nach dem Anderen zu machen und so organisch zu wachsen.
Das funktioniert bisher auch sehr gut: Im Jahr 2015 konnten wir unseren Umsatz um 800% steigern und haben im Juli 2016 den Gesamtjahresumsatz von 2015 schon überschritten.
Die wichtigsten Meilensteine in den ersten 6 Monaten vor dem Launch waren die Markenidentität zu erstellen und den Webstore zu entwickeln. Das war eine gute und wichtige Basis. Ich denke allerdings, dass speziell in einem Onlineshop, alles was nach dem Launch kommt wichtiger ist.
Hier sind einige Beispiele, die uns täglich umtreiben: Wie kann ich meine Marke bekannter machen und meinen Traffic steigern? Welche Lösungen kann ich für Logistikprobleme finden, z.B. Zoll, oder verlorene Pakete? Wie kann ich mich weiter von der Konkurrenz abgrenzen?
Wie sieht es mit der Einnahmeseite aus – auf welchen Weg werden Geldrückflüsse erzielt?
Bei SKEINO funktioniert das ganz klassisch durch Vorkasse bei der Bestellung des Kunden. Wir arbeiten mit Kreditkarten und Paypal, was sehr gut funktioniert. Wir werden allerdings für Europa die Sofortüberweisung einführen, um dem Kunden noch mehr Möglichkeiten zu geben.
Auf Anfrage arbeiten wir auch mit anderen Webstores, für die wir dann exklusive Kollektionen von unseren Top-Produkten erstellen, die diese dann in ihren Shops verkaufen. Besagte Produkte sind allerdings nur in bestimmten Farben verfügbar, um nicht mit unserem Webstore zu konkurrieren.
Als dritte Einnahmequelle haben wir unsere Youtube-Videos. In erster Instanz sollen die eigentlich unseren Kunden als Hilfe dienen. Nachdem uns allerdings mehrere Multimediaplattformen kontaktiert haben, haben wir beschlossen unsere Videos zu monetizen, also dort Werbung laufen zu lassen.
Welche Werbe- bzw. PR-Aktion hat bis dato für den größten Bekanntheitsschub gesorgt?
Wir machen auf diesem Weg sehr viel und probieren auch viel Neues aus. Unseren ersten Bekanntheitsschub haben wir durch 2 Features in der US-Ausgabe von Vogue Knitting bekommen.
Unser größter Bekanntheitsschub kam allerdings durch Kollaborationen mit Bloggern zu Stande. Diese machen diverse Reviews und Tutorials, in denen sie erklären, wie man ein bestimmtes Strickmuster strickt. Unsere erste Kollaboration hat auf Youtube schon über 100K Views gesammelt.
Welche Vision verfolgst Du und welche Schlagzeile würdest Du gern mal über das Unternehmen lesen?
Wenn wir irgendwann mal in einem Atemzug mit den grossen Startups der Craft-Branche, die teilweise zweistellige Millionenbeträge als Investitionen geraist haben, genannt werden würden, wäre das ein toller Erfolg.
Auf welche 3 Tools/Apps kannst Du bei der täglichen Arbeit keinesfalls verzichten und warum?
Zunächst ist da natürlich unser Shopsystem. Hier werkeln verschiedene Leute den ganzen Tag lang an Produkten, Design und Ordermanagement. Das wichtigste Tool für mich als Marketer ist die Adobe Creative Suite: Photoshop, InDesign und Illustrator nutze ich mehrere Stunden pro Tag. Als drittes würde ich iMovie und Youtube nennen. Beides brauche ich für unseren Youtubekanal.
Was bedeutet für Dich persönlich Erfolg – worauf kommt es wirklich an?
Ich denke das Wichtigste ist, dass man sich selber durch das was man macht motiviert und inspiriert. Wachsende Userzahlen und Sales sind natürlich tolle Bestätigungen dafür – am Ende will man ja von seinem Unternehmen auch leben.
Dabei lernt man extrem viel, was für mich ebenfalls eine Form von Erfolg ist. Vor einem Jahr wusste zum Beispiel noch niemand von uns, was Retargeting ist und wie es funktioniert oder wie man mit Youtube Geld verdient.
Welchen Fehler würdest Du aus der eigenen Erfahrung heraus jungen Gründern ersparen?
Ich würde gern zwei Fehler benennen. Der erste Fehler, den fast alle Erstgründer/innen machen, ist es Angst davor zu haben, dass Ihre Idee geklaut wird. Die Realität ist, dass eine Idee an sich nichts wert ist – auf die Umsetzung kommt es an. Nur wer etwas gut umsetzt wird kopiert.
Der zweite Fehler ist ein Klassiker: „Build it and they will come!“ Leider ist es jedoch so, dass eine neue Website, bzw. ein Shop an sich keinen Traffic bekommt. Man kann es mit einem Limonadenstand in der Wüste vergleichen: Klar haben die Reisenden Durst, aber wie sollen sie inmitten von all dem Sand den Limostand finden?
Welche Frage sollte sich eine Gründerin bzw. ein Gründer mindestens einmal gestellt haben?
Bin ich bereit sieben Tage die Woche zu arbeiten und kann ich mit dem Risiko leben, dass in einem Monat alles vorbei sein kann?
Mit welchen drei Worten würdest Du dich selbst beschreiben?
Wissensbegierig, ungeduldig, perfektionistisch.